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MCCM-News-Blog

FREIES FORSCHUNGSPROJEKT: GEFLÜCHTETE ALS ZIELGRUPPE DER UNTERNEHMENSKOMMUNIKATION

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Im zweiten Semester konnten die MCCMer sich intensiv mit einem frei gewählten Forschungsthema beschäftigen.

Im zweiten Semester konnten wir im Rahmen der Veranstaltung „Forschungsprojekt“ zwei sehr unterschiedliche Routen einschlagen: Forschen sollten wir im Auftrag einer Organisation aus der Praxis oder zu einem frei gewählten Thema aus dem Feld der Unternehmenskommunikation, das uns persönlich interessierte.

Trotz der spannenden Auftragsforschungen entschieden wir – Helen, Sophie, Marcel und Salome – uns dazu, ein eigenes Projekt zu erarbeiten und zu erforschen. Wann hat man schon einmal die Gelegenheit, sich mehrere Monate intensiv mit einem frei wählbaren Thema zu beschäftigen? Aber genau diese Freiheit stellte uns zunächst vor eine Herausforderung: Unsere Ideenliste war lang und der mögliche Forschungsrahmen begrenzt.

Schließlich entschieden wir uns dazu, die Ansprache potenzieller Arbeitnehmer mit Fluchthintergrund durch Unternehmen in Deutschland zu untersuchen. Die Spannungsfelder des Fachkräftemangels und der Integration Geflüchteter in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt bieten sowohl für Forschung als auch Praxis viel Potenzial. Der Praxisbezug war auch ohne Auftraggeber vorhanden, da Ergebnisse und Handlungsempfehlungen potenziell direkt in die Praxis übertragen werden könnten. Die Konkretisierung der Fragestellung erforderte eine tiefgreifende Recherche, um der Komplexität des Themas gerecht zu werden. Dieses breite Wissen wurde dann anschließend in der folgenden Forschungsfrage gebündelt: „Wie haben sich bereits in den Arbeitsmarkt integrierte Geflüchtete über ihre Möglichkeiten für den Berufseinstieg in Deutschland informiert?"

Das Forschungsdesign – angepasst auf die Erforschung des Unbekannten

Da es sich um ein noch unerforschtes Themengebiet handelte, entschieden wir uns für ein qualitativ-exploratives Forschungsdesign. Im Folgenden entwickelten wir zwei Interview-Leitfäden, die die Grundlage für die Befragung von Arbeitnehmern mit Fluchthintergrund und Sozialarbeitern bzw. Ehrenamtlichen darstellten. Wir wollten herausfinden, wie es Geflüchteten gelungen ist, eine Arbeitsstelle zu finden und welche Kommunikationskanäle und Personen dabei eine Rolle spielten, um so Rückschlüsse für eine verbesserte Ansprache zu ziehen. Denn schon während der Recherche wurde deutlich, dass diese Zielgruppe aufgrund mehrerer Faktoren andere Informationskanäle benutzt als deutsche Arbeitnehmer, bzw. oftmals auch keinen Zugang zu herkömmlichen Kanälen hat. Nach der Erstellung des Leitfadens schrieben wir viele Organisationen und Unternehmen an, die sich im Raum Stuttgart-Pforzheim-Karlsruhe für die Integration von Geflüchteten in den deutschen Arbeitsmarkt engagieren, um so potenzielle Interviewpartner zu finden. Unter den Ehrenamtlichen und Sozialarbeitern, deren Perspektive aufgrund ihrer breiten Erfahrung im Job-Vermittlungsprozess als grundlegend und wertvoll erachtet wurde, fanden wir zügig Interviewpartner. Es gab sogar so viele Rückmeldungen, dass wir nicht alle Interessenten befragen konnten.

Die Gruppe der Befragten mit Fluchthintergrund setzte sich aus acht verschiedenen Nationalitäten zusammen.

Die Geflüchteten selbst zu erreichen gestaltete sich aber deutlich schwieriger. Hier hatten wir es mit der gleichen Problematik zu tun, die wir versuchten zu erforschen: Welche Kanäle müssen genutzt werden, um diese Zielgruppe zu erreichen? Die Sprachbarriere stellte eine zusätzliche Herausforderung dar, da wir keinen Dolmetscher zur Verfügung hatten. Schlussendlich konnten wir aber mit sieben Sozialarbeitern und Ehrenamtlichen und 14 Geflüchteten sprechen.

Die Leitfaden-Interviews – wissenschaftliche Erkenntnisse sowie persönliche Eindrücke

Die Gespräche selbst waren hochinteressant und ermöglichten über das Forschungsprojekt hinaus viele Denkanstöße. Während der Gespräche wurde auch deutlich, wie heterogen diese Zielgruppe ist und dass eine einheitliche Strategie zur Ansprache nicht ausreichen würde. Nach der Transkription und Codierung aller Interviews bildeten wir mit einer Datenanalyse-Software Typologisierungen, die nach Stand unserer Untersuchung jeweils eine andere Art der Ansprache von Unternehmen benötigen. Diese drei Typen lassen sich wie folgt kurz beschreiben:

Die Typologisierung konnte durch das Vergleichen der Gemeinsamkeiten und Unterschiede der jeweiligen Aussagen erarbeitet werden.

Der Typ des selbstständigen Netzwerkers zeichnet sich besonders durch sein hohes Bildungsniveau aus und kann meist ohne größere Schwierigkeiten in den deutschen Arbeitsmarkt integriert werden.

Der Typ des flexiblen Einsteigers hingegen muss wegen fehlender Anerkennung der Abschlüsse zunächst weiterqualifiziert werden und ist daher für Ausbildungsbetriebe besonders relevant.

Der letzte Typ des unbeschriebenen Blatts ist entweder so jung nach Deutschland gekommen, dass hier zunächst die Schule besucht werden muss, oder er hat im Heimatland keinen Zugang zu Bildung gehabt. Menschen dieses Personenkreises können daher hauptsächlich über Lehrer, Ausbildungsmessen sowie Tage der offenen Tür oder die jeweiligen Sozialarbeiter und Ehrenamtliche erreicht werden.

Das Fazit – des Forschungsprojekts und unser eigenes

Nachdem wir diese Typologisierung aus den erhobenen Daten bilden konnten, verfassten wir einen Journal-Artikel, der die Erkenntnisse des gesamten Projekts zusammenführt und der wissenschaftlichen Community zur Verfügung gestellt werden kann. Da wir aber bereits während der Suche nach Interviewpartnern auf so viel Interesse seitens der Unternehmen, Sozialarbeiter, Handwerkskammern aber auch der Geflüchteten selbst stießen, erstellten wir zusätzlich eine praxisnahe Zusammenfassung. Diese fokussiert sich eher auf Möglichkeiten der praktischen Umsetzung der Forschungsergebnisse als auf die Methodik oder theoretische Einbettung des Forschungsprojekts.

Rückblickend haben wir aus diesem Projekt sehr viel mehr gelernt, als am Anfang vermutet: Über die Methodik, Theorie und das wissenschaftliche Schreiben hinaus konnten wir uns intensiv und objektiv mit einem Thema beschäftigen, das momentan sehr emotional in der Medien- und Politiklandschaft debattiert wird. Darüber hinaus haben wir gesehen, dass praktisch-orientierte Forschung im besten Fall wirklich Probleme lösen kann, die uns im Alltag beschäftigen. Und zu guter Letzt haben wir auch festgestellt (was wir als Studierende natürlich schon längst ahnten), dass Forschung nicht langweilig und verstaubt sein muss, sondern wirklich viel Spaß bereiten kann!

 

veröffentlicht von Helen Berve, Sophie Borgert, Marcel Peter & Salome Becker, MCCM 3. Semester

 

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