Weniger Netflix, besseres Klima?
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Weniger Fleisch essen, unnötige Verpackungen vermeiden, den eigenen PKW durch umweltfreundlichere Fortbewegungsmittel ersetzen – oder auch: weniger Netflix konsumieren. Das sind nur einige der Challenges, denen sich die Studierenden im ersten Semester des Master-Studiengangs Life Cycle & Sustainability gestellt haben. So haben Sie sich nicht nur theoretisch mit den Themen Ökobilanzierung und Nachhaltigkeit befasst, sondern diese angewendet, um einen konkreten und ganz persönlichen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.
Zum vierten Mal haben sich die Studierenden in diesem Wintersemester 2019/20 im Rahmen des einführenden Grundlagen-Moduls einer „Umwelt-Challenge“ gestellt und eine selbst gewählte umweltentlastende Maßnahme zwei Monate lang im Alltag umgesetzt. Danach wurde die Wirkung der eigenen Maßnahme unter Zuhilfenahme der erlernten Konzepte und Methoden abgeschätzt und die Ergebnisse in einem Kurzbericht zusammengefasst. „Es ist spannend und begeistert mich immer wieder aufs Neue, auf welche Ideen die Studierenden kommen und welche Einblicke sie anschließend bei der Auswertung ihrer Challenges gewinnen. Häufig lerne ich dabei selbst etwas Neues!“ so der für das Modul verantwortliche Prof. Dr. Hendrik Lambrecht.
So konnte eine einzige Studentin durch die sowohl im Umfang als auch der Datenqualität reduzierte Nutzung des Streaming-Dienstes Netflix im Zeitraum von nur 18 Wochen eine Einsparung von ca. 300 kg CO2-Äquivalenten erzielen. Die Abschätzung solcher Zahlen wirft zweifellos methodische Fragen auf, verweist aber sicher zutreffend auf die steigende Bedeutung der Infrastruktur für die weltweite Datenübertragung am globalen Energie- und Ressourcenverbrauch. Ein anderer Student hatte sich zum Ziel gesetzt, auf Bestellungen im Online-Handel zu verzichten, um den Verpackungsaufwand zu reduzieren. Sein überraschendes Fazit: die eigentliche Wirkung seiner Maßnahme lag darin, dass er nur zwei der insgesamt sieben Kaufwünsche im Zeitraum der Challenge im Einzelhandel vor Ort realisierte. Die übrigen erschienen ihm nach kurzer Zeit als überflüssig.
Insgesamt bilden die Maßnahmen einen guten Querschnitt durch die gesellschaftlich diskutierten Ansätze zum Klimaschutz im privaten Umfeld ab. Erwartungsgemäß stellen die Maßnahmen aus den Bereichen Mobilität, Wohnen und Bekleidung mit einer mittleren Einsparungspotenzial von ca. 500 kg CO2-Äquivalenten pro Jahr einen besonders effektiven Hebel dar.
„Man sollte die Relevanz der Maßnahmen aber nicht nur anhand der eingeschätzten Einsparung bewerten“, so Lambrecht, „dieser spiegelt schließlich auch die Ausgangslage wider und fällt damit umso niedriger aus, je umweltbewusster sich eine Person – beispielsweise beim Fleischverzicht – zuvor verhalten hat. Außerdem sind es vielleicht gerade die etwas abwegigeren Ideen, die eine Gesellschaft benötigt, um vorwärtszukommen.“ So wurde beispielsweise mit einem aus Rosskastanien hergestellten Ersatz für herkömmliche Waschmittel experimentiert. Interessante Einsicht: so wird die Umweltbelastung aus der aufwändigen chemischen Herstellung von Waschmitteln zwar reduziert, aber auch die natürlichen Saponine, die die reinigende Wirkung übernehmen, haben in der Umwelt toxische Eigenschaften.
Neben der Vielfalt der Ideen überzeugt der Elan, mit dem die Studierenden sich an die Auswertung ihrer Challenges begeben. Hausmüll wird gewogen, der eigene Warenkorb protokolliert, Temperaturprofile ermittelt, die Herkunft von Lebensmitteln recherchiert. Und man will es wirklich wissen: so wird nicht selten auf unterschiedlichen Wegen überprüft, ob die eigene Abschätzung Bestand hat. Es gelingt den Studierenden zudem durchweg, die Ergebnisse der eigenen Abschätzung kritisch zu reflektieren: Was ist der Effekt, wenn ich anstatt Fleisch nun mehr Milchprodukte konsumiere? Wie repräsentativ sind Stichproben beispielsweise des eigenen Konsumverhaltens? Welche Auswirkungen – außer auf das Klima– hat die gewählte Maßnahme noch? So ist die eine Tonne eingesparter Treibhausgase am Ende vielleicht nicht mehr als eine grobe Abschätzung der Größenordnung. Die Wirkung der Challenge selbst könnte jedoch deutlich größer ausfallen.