Herausforderungen der betrieblichen Mitbestimmung im Strukturwandel
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Michael Brecht, der seit 2014 Vorsitzender des Gesamt- und Konzernbetriebsrats sowie stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Daimler AG ist, ging in seinem Vortrag am 19. November 2021 darauf ein, wie sich der aktuelle Strukturwandel in der deutschen Autoindustrie auf die Beschäftigung auswirkt und welche Herausforderungen damit insbesondere für die Arbeitnehmervertretungen verbunden sind. Ausgelöst wird die Transformation im Wesentlichen durch den Klimaschutz und die Digitalisierung. Während bei den Pkw der Umstieg auf Elektrofahrzeuge immer stärker an Fahrt aufnimmt, gehe der Trend beim emissionsfreien Personen- und Warentransport in Richtung Elektroantrieb und bei höheren Reichweiten in Richtung Brennstoffzelle, so Michael Brecht.
Bei seinen lebendigen und praxisnahen Ausführungen wurde deutlich, dass die Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter gefordert sind, sich intensiv mit den sich abzeichnenden technologischen Veränderungen zu befassen, um sich kompetent in die laufenden Diskussionen und Entscheidungsprozesse einbringen zu können. Die Transformation erfordert laut Michael Brecht einerseits hohe Investitionskosten in neue Technologien. Gleichzeitig müssten in der Übergangsphase auch die Kosten für die Verbrenner geschultert werden. Dies führe zu einem Kostendruck in den Unternehmen – auch bei den Personalkosten. Für Brecht ist klar, dass der Elektroantrieb grundsätzlich zu einer geringeren Beschäftigung führt, weil der konventionelle Antriebsstrang mit Verbrennungsmotor und Getriebe deutlich aufwendiger ist. Um den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dennoch eine Zukunftsperspektive bieten zu können, ist es aus Sicht von Michael Brecht notwendig, die aktuelle Fertigungstiefe auf den Elektroantrieb zu transferieren. Konkret bedeutet das: Möglichst viele Teile und Komponenten wie den Elektromotor, das Batteriesystem und Batteriezellen in den bestehenden Werken zu fertigen. Voraussetzung dafür ist dem Daimler-Gesamtbetriebsratsvorsitzenden zufolge, dass das Unternehmen die neuen Teile und Komponenten selbst entwickle und nicht von Lieferanten beziehe. Dieser Entscheidungsprozess habe gerade erst begonnen.
Die Arbeitnehmervertretungen sind insgesamt gefordert, die Veränderungen proaktiv und konstruktiv zu begleiten. Michael Brecht verdeutlichte anhand konkreter Beispiele, dass es das Ziel sein muss, den Klimawandel einerseits ernst zu nehmen und die Umwelt zu schützen, andererseits aber auch keine Arbeitsplätze zu gefährden. Gerade in international aufgestellten Unternehmen gilt es zudem, über die Ländergrenzen hinaus zu denken und sich weltweit für Beschäftigte und Menschenrechte einzusetzen. Bei Daimler sei dazu eine Charta der Menschenrechte unterzeichnet worden, die insbesondere in Schwellenländern große Bedeutung habe. Keinen Zweifel ließ Michael Brecht auch daran, dass der Erfolg und der Wert eines Unternehmens nicht allein am finanziellen Erfolg und Börsenwert festgemacht werden darf. Genauso wichtig sind die Schaffung und langfristige Erhaltung von sicheren, menschengerechten Arbeitsplätzen, die überzeugende Wahrnehmung der sozialen Verantwortung und die anhaltende Zufriedenheit der Beschäftigten. In diesem Kontext ist für Michael Brecht klar: Die Mitbestimmung ist notwendiger und aktueller denn je.
In der offen geführten Diskussion mit dem pandemiebedingt leider überschaubaren Kreis der anwesenden Praktiker und Studierenden wurden einige Themen genauer betrachtet. Auch hier blieb Michael Brecht keine Antwort schuldig.